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Gedenken an den „armen, tapferen Doktor“

Dr. Buakarie Mansaley Kobba ist einer der ersten afrikanischen Studenten an der Philipps-Universität gewesen. Nun ist der Mediziner in Sierra Leone gestorben – ein Nachruf eines Weggefährten.

von Gangolf Seitz

Marburg. Kobba wurde Anfang der dreißiger Jahre in Mobai im westafrikanischen Staat Sierra Leone geboren. Nach dem Abitur kam er in den 1950er-Jahren zum Medizinstudium an die Philipps-Universität. Mit seinem Charme und seiner Kontaktfreudigkeit konnte er schnell ein Netzwerk aus Verbindungen innerhalb und außerhalb der Universität knüpfen, das viele Jahrzehnte halten sollte. Nachdem er in Marburg promoviert wurde, erwarb er in Hamburg das Diplom in Tropenmedizin und in Berlin ein Diplom in öffentlichem Gesundheitswesen.

Zurück in Afrika verbrachte er einige Zeit in einem staatlichen Krankenhaus, bevor er in sein Dorf Mobai zurückkehrte und dort begann, als Arzt zu arbeiten. Seine Freunde in aller Welt halfen ihm mit Spenden für den Bau eines Krankenhauses. 1968 konnte die „Eastern Clinic“ eröffnet werden. Das hier arbeitenden Personal war sämtlich von Kobba selbst ausgebildet worden und hielt ihm zum Teil über Jahrzehnte die Treue. Die folgenden zwanzig Jahre waren vermutlich die glücklichsten in Kobbas Leben. Die Klinik entwickelte sich kontinuierlich, nicht zuletzt wegen der anhaltenden materiellen und personellen Unterstützung aus aller Welt.

Die Philipps-Universität, motiviert von den Hygiene-Professoren Siegert und Bommer, plante die Errichtung einer Forschungs- Außenstelle in Mobai. Dazu ist es nie gekommen, aber tatsächlich sind mehrere Forschungsvorhaben und Dissertationen in Mobai erfolgreich durchgeführt worden. Vielfältige Publikationen haben von Kobbas Arbeit berichtet, darunter das Deutsche Fernsehen, das Deutsche Ärzteblatt, die Zeit und immer wieder die Oberhessische Presse.

Kobba hatte erkannt, dass unter den in Afrika herrschenden Bedingungen vor allem eine prophylaktisch ausgerichtete Medizin gefördert werden muss. Im Rahmen eines von ihm durchgeführten „Modellvorhabens zur ländlichen Gesundheitsvorsorge“ wurden mehr als hundert Dörfer mit hygienischen Brunnen und Latrinen ausgestattet. Das „Underfives“- Progamm der Klinik besuchte mit einer mobilen Einheit regelmäßig Dörfer in der Umgebung, um dort kleine Kinder zu untersuchen, zu impfen, zu behandeln und ihre Mütter in Fragen der Hygiene und Ernährung zu beraten. In der „Eastern Clinic“ standen für die kurative Medizin etwa 50 Betten zur Verfügung, ein kleines Labor, zeitweilig auch eine Röntgeneinheit; regelmäßig wurden operative Eingriffe vorgenommen. 1987 konnte ein Erweiterungsgebäude in Betrieb genommen werden.

Kobba begriff, dass ein Krankenhaus, zumal in Afrika, defizitär arbeiten wird, wenn es eine gute und patientenorientierte Medizin leisten will. Da er nicht dauerhaft auf Spenden angewiesen sein wollte, begann er zur finanziellen Absicherung mit landwirtschaftlichen Projekten. Reisfelder wurden angelegt und vor allem Ölpalmplantagen gepflanzt. 1979 konnte er mit holländischer Hilfe eine Ölmühle errichten, wo das als Nahrungsmittel begehrte Palmöl gewonnen und gleichzeitig Seife hergestellt wurde.

Kobba war seinen Mitarbeitern ein strenger Patriarch, seinen vielen Freunden und Wegbegleitern ein nicht immer einfacher Partner, der mit zähem Streben seine Projekte vorantrieb. Vermutlich konnte er nur so seinen Traum verwirklichen, mitten im westafrikanischen Busch eine effektive Gesundheitsversorgung aufzubauen. Die Erfolgsgeschichte der „Eastern Clinic“ nahm ein jähes Ende, als Mobai 1991 im ausbrechenden Bürgerkrieg von Rebellen überrannt wurde. Kobba, seine Familie und sein Personal mussten fliehen und die Klinik mit den Patienten zurück lassen. Die Rebellen brannten die Klinik bis auf die Grundmauern nieder. Die Ölmühle wurde zerstört.

Die nächsten zehn Jahre verbrachte Kobba als Flüchtling. In einem Vorort von Freetown plante er einen Hospitalneubau, der aber wegen der Kriegsereignisse nie in Betrieb ging. Nachdem die Rebellen Freetown erobert hatten, wurde Kobba für mehrere Monate in dem gefürchteten Gefängnis Pademba Road inhaftiert. Anschließend floh er ins benachbarte Guinea. Nach Ende des Krieges praktizierte Kobba weiter als Arzt in Freetown. Der sierra-leonesische Staat verlieh ihm die Auszeichnung eines „Commander of the Order of the Republic“.

Kobba zog sich in den letzten Jahren in seinen Geburtsort Mobai zurück, wo er in kleinem Umfang Kranke behandelte und sich um seine Palmölplantagen kümmerte.

„Armer tapferer Doktor Kobba“ titelte die Zeitung „Die Zeit“ 1977 – denn persönlichen Reichtum hat er nie besessen. Seine unendliche Energie gab er seinem Land und den Menschen aus seinem Dorf. Trotz aller Rückschläge arbeitete er bis zum Schluss an seinen Projekten, immer ungeduldig voranstrebend.

Kobba war verheiratet mit Agnes Comber, die ihm vier Kinder schenkte. Ihr und seinen Kindern und Enkeln gilt unsere Anteilnahme. Die Bevölkerung von Mobai sowie ein großer Freundeskreis in Europa und Nordamerika beklagen den Tod eines außergewöhnlichen Menschen, der uns gezeigt hat, wie Humanität gelebt werden kann. Dr. Buakarie Kobba ist Mitte Februar gestorben.

(Dr. Seitz)
 
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Hilfe direkt Oldenburg-Sierra Leona, von Gisela Bednarek
Kleine Clinic in der Berry-Street in Freetown:
Nachdem mich Anfang 1993 ein Brief von Dr. Kobba erreichte, in dem er von dem Rebelleneinfall in Sierra Leone und Flucht aus Mobai berichtete und dass er gerne wieder praktizieren wolle, aber  nicht einmal mehr ein Blutdruckmessgerät habe, sammelte ich Einrichtungs- und medizinisches Material sowie Medikamente. Dies alles wurde im Oktober 1993 in einem großen Container nach Freetown geschickt. Seitdem praktizierte Dr. Kobba einige Jahre in dem ihm von der Methodistenkirche zur Verfügung gestellten kleinen Gebäude in der Berry-Street.

Hospitalneubau in Hastings - Vorort von Freetown:
Drei Container mit Einrichtungs-, medizinischem Material, Medikamenten sowie Babynahrung usw. wurden gesammelt und für das neue Krankenhaus in Hastings nach Sierra Leone geschickt.

Das Krankenhaus nebst Material wurde durch die Rebellen während ihres Marsches auf Freetown völlig zerstört.

Für mich trägt Dr. Kobba den Beinamen "Stehaufmännchen", da er trotz vieler Rückschläge immer wieder zum Wohle seiner Landsleute aufgestanden ist und nach vorne geschaut hat.

 Gila Bednarek